Zweckprogramm

Da der Flächennutzungsplan lediglich den Charakter eines Zweckprogramms besitzt, darf der Bebauungsplan in bestimmten Grenzen vom Flächennutzungsplan abweichen. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass ein Bebauungsplan für seinen Geltungsbereich eine andere Nutzung festsetzt als im Flächennutzungsplan dargestellt ist.

Die Grundentscheidungen des Flächennutzungsplans müssen jedoch eingehalten werden. Dies gilt insbesondere für die Funktion der Hauptnutzungen. Die Überschreitung des Rahmens darf nicht dazu führen, dass zugleich auch auf der Ebene des Flächennutzungsplans relevante und ausgleichsbedürftige Spannungen begründet würden, so dass sich für den Flächennutzungsplan die Erforderlichkeitsfrage stellt.

Der bloße Widerspruch von Flächennutzungsplan und Bebauungsplan allein reicht somit nicht aus, um einen Verstoß gegen das Entwicklungsgebot annehmen zu können.

Der Flächennutzungsplan wird durch Bebauungspläne, die von der Darstellung zwar abweichen, aber den Entwicklungsrahmen einhalten, nicht unrichtig. Das Problem einer nachträglichen Korrektur des Flächennutzungsplans stellt sich hier nicht. Anders bei Anwendung von §1 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG.

Verletzung des Entwicklungsgebots - Ist ein Bebauungsplan materiell nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, so ist er fehlerhaft. Abweichungen im Rahmen des Entwickeln sind unerheblich.

Dieser Mangel kann auch durch eine nachträgliche Anpassung des Flächennutzungsplans nicht geheilt werden.

Ob der Fehler den gesamten Bebauungsplan erfasst oder nur einen Teil, beurteilt sich nach allgemeinen Grundsätzen.

Die Verletzung von §8 Abs. 2 Satz 1 ist nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 urbeachtlich, wenn hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung nicht beeinträchtigt wird. Das Gesetz will solche Bebauungspläne aufrecht erhalten, die zwar die Grenzen des Entwickelns überschreiten, aber dennoch inhaltlich abgewogen und darum materiell richtig sind.

Enthält der Bebauungsplan Festsetzungen, die die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigen, so führt dieser Fehler auch nach geltendem Recht zur Nichtigkeit.

Nach §214 Abs. 2 Nr.3 ist es ohne Einfluss, wenn sich nach Bekanntmachung des Bebauungsplans herausstellt, dass der Flächennutzungsplan an einem formellen Fehler leidet und deshalb unwirksam ist.

Abgrenzung im Einzelfall: Die Frage, in welchen Fällen ein Bebauungsplan noch aus dem Flächennutzungsplan entwickelt ist, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls entscheiden.

Eine Verletzung des Entwicklungsgebots wurde in folgenden Fällen angenommen:

- Festsetzung eines reinen Wohnbaugebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Grünfläche;

- Festsetzung eines Industriegebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten gemischten Baufläche;

- Festsetzung eines 125 m breiten und 250 m langen Gewerbegebietes auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten gewerblichen Baufläche von 60 m Breite und 175 m Länge;

- Festsetzung eines umfangreichen allgemeinen Wohngebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Fläche für die Landwirtschaft;

- Festsetzung eines 3,5 ha großen Wohnbaugebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Fläche für die Forstwirtschaft innerhalb eines Landschaftsschutzgebiets am Rande einer Autobahn, die als Sicht- und Lärmschutz sowie als Erholungsfläche dienen sollte. Weist der Flächennutzungsplan eine faktisch eindeutige und funktionell sinnvolle Grenze des Baulandes aus, so verstößt es gegen das Entwicklungsgebot, wenn ein Wohngebiet über diese Linie hinaus erstreckt wird.

- Festsetzung eines Sondergebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten gewerblichen Baufläche ;

- Festsetzung eines Wohnbaugebiets mit 26-geschossigem Hochhaus mit 300 Wohnungen auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten landwirtschaftlichen Nutzfläche;

- Festsetzung privater Grünflächen auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten öffentlichen Parkfläche an exponierter Stelle des Gemeindegebiets;

- Festsetzung eines Baugebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Fläche für die Forstwirtschaft;

- Festsetzung einer Weinbaufläche in einer im Flächennutzungsplan dargestellten Wohnbaufläche;

- Festsetzung eines Gewerbegebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Fläche für die Landwirtschaft.

Kein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot wurde in folgenden Fällen angenommen:

- Festsetzung eines reinen Wohngebiets auf einem im Flächennutzungsplan dargestellten Kleinsiedlungsgebiet;

- Festsetzung eines reinen Wohngebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Fläche für den Gemeinbedarf, Festsetzung einer Kirche anstelle eines im Flächennutzungsplan dargestellten Krankenhauses, Festsetzung von Wohnbauflächen anstelle einer im Flächennutzungsplan dargestellten Grünfläche;

- Festsetzung eines Mischgebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Grünfläche;

- Festsetzung eines Kerngebiets auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Wohnbaufläche, sofern die tatsächliche Entwicklung zu einer City-Bildung geführt hat;

- Festsetzung einer Fläche für den Gemeinbedarf mit vergleichsweise kleinem Zuschnitt auf einer im Flächennutzungsplan dargestellten Wohnbaufläche;

- Verschiebung der Abgrenzung zwischen Mischgebiet und Gewerbegebiet, sofern das Gewicht beider Baugebiete insgesamt nicht verändert wird;

- Festsetzung einer 85 m x 60 m großen Grünfläche auf einem im Flächennutzungsplan dargestellten Mischgebiet.

Formelle Seite des Entwicklungsgebots, Parallelverfahren - Grundsatz, abweichende Rechtsentwicklung - An sich ist ein Bebauungsplan in formeller Hinsicht nur dann aus einem Flächennutzungsplan entwickelt, wenn zuvor der Flächennutzungsplan aufgestellt und mit der Bekanntmachung gemäß §6 Abs.5 wirksam geworden ist. Dies ist eine logische Folge aus dem Prinzip der gestuften Planung. Auch die Qualifizierung des Flächennutzungsplans als vorbereitender Bauleitplan in §1 Abs. 2 deutet darauf hin, denn die Vorbereitung geht der Durchführung normalerweise zeitlich voraus.

Folgt man diesem Grundsatz, so müsste der Flächennutzungsplan zeitlich vor dem Bebauungsplan aufgestellt sein.

Folgerichtig müsste ein Flächennutzungsplan vorab geändert werden, wenn ein Bebauungsplan von seiner Grundkonzeption abweichen will; nur ein solches Verfahren entspräche der Bedeutung des Flächennutzungsplans als erster Planstufe und als bindender Darstellung der Grundzüge der beabsichtigten Bodennutzung.

Der vorgenannte Grundsatz ist jedoch zur Erleichterung der Planungspraxis sowohl von der Rspr. als auch vom Gesetzgeber schrittweise eingeschränkt worden.

Bereits mit Urteil vom 28.2.1975 hat das BVerwG anerkannt, dass der Flächennutzungsplan gleichzeitig mit dem Bebauungsplan aufgestellt und in Kraft gesetzt werden dürfe. Im Urteil vom 30. 1.1976 hat es weiter ausgeführt, dass dem §8 Abs. 2 Satz 1 BBauG genügt sei, wenn objektiv der Bebauungsplan die Darstellungen des Flächennutzungsplans konkretisiert und von dessen Grundkonzeption nicht abweicht. Im Urteil vom 29.9. 1978 hat das BVerwG die Vorstellung abgelehnt, dass §8 Abs. 2 Satz 1 BBauG 1976 nur eine klare zeitliche Aufeinanderfolge der Flächennutzungs- und der Bebauungsplanung gestatte und dass deshalb die Bebauungsplanung zumindest mit ihrer entscheidenden Phase erst beginnen dürfe, wenn der Flächennutzungsplan abgeschlossen sei; es hat dargelegt: Wesentlich ist allein, dass der Inhalt eines Bebauungsplans im Zeitpunkt seiner Inkraftsetzung dem zu dieser Zeit wirksamen Flächennutzungsplan in einer Weise entspricht, die sich als ein Entwickeln - genauer: als ein Entwickelt sein - begreifen lässt. Offen blieb dabei jedoch, ob nicht bereits im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses zum Bebauungsplan die parallel laufende Aufstellung, Änderung oder Ergänzung des Flächennutzungsplans wirksam geworden sein musste.

Das damit von der Rspr. in Auslegung des §8 Abs. 2 BBauG 1969 und 1976 anerkannte Parallelverfahren ist vom Gesetzgeber bei der BBauG Novelle 1979 legalisiert worden. Dabei wurde aber festgelegt, dass der Bebauungsplan nicht vor dem Flächennutzungsplan genehmigt werden dürfe. Die Genehmigung des Flächennutzungsplans und die des Bebauungsplans durften jedoch gleichzeitig bekannt gemacht werden.

Mit der Übernahme des Parallelverfahrens in das BauGB ist die bis dahin erforderliche parallele Prüfung durch die Aufsichtsbehörde entfallen. Nach §8 Abs. 3 darf der Bebauungsplan sogar vor dem Flächennutzungsplan angezeigt und bekannt gemacht werden, wenn nach dem Stand der Planungsarbeiten anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan aus den künftigen Darstellungen des Flächennutzungsplans entwickelt sein wird.

Die Legalisierung des Parallelverfahrens reduziert das Entwicklungsgebot in formeller Hinsicht; die materielle Priorität des Flächennutzungsplans bleibt aber unberührt.

Dennoch ist anzumerken, dass mit der aufgezeigten Rechtentwicklung der Flächennutzungsplan als Instrument zur Ordnung und Entwicklung der Gemeinde abgewertet wurde. Damit ist letzten Endes ein Stück Planungskultur preisgegeben worden. Die nach dem Gesetz ursprünglich vorgesehene Beteiligung sowohl der Bürger als auch der Träger öffentlicher Belange an beiden Planverfahren ist im Ergebnis auf einen Verfahrensgang reduziert. Dies war für die eine Zeit vertretbar, in der die städtebauliche Entwicklung sich im wesentlichen auf den vorhandenen Bestand beschränkte. Mit dem Einsetzen eines neuen Flächenwachstums seit Beginn der neunziger Jahre ist eine Einordnung der gemeindlichen Bebauungsplanung in einen übergeordneten gemeindlichen Zusammenhang wieder vordringlich geworden.